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Das Geheimnis des Jungferngrunds

Die Zeit beginnt wenn die Bergen zu einem Märchen zu werden.

Vor langer Zeit, das Fichtelgebirge war damals einiges rauer und unergründlicher, die Legenden keine Märchen, sondern Vorkommnisse in der Düsternis. Damals entstand die Mär von den geheimnisvollen Jungfern des Berges, die Reisenden in Not halfen. Doch wer die Geschichte wahrhaftig ergründen wollte, musste nicht nur die eisigen Pfade der Berge bezwingen, sondern auch weit bis in die städtischen Archive von Dresden schauen. Über die Jahrhunderte hinweg wurden die Hüterinnen des Jungferngrunds zu einem der mythischsten Ausflugsziele Sachsens, doch nur wenige kennen die wahre Geschichte, die in jener verhängnisvollen Winternacht ihren Anfang nahm.

Die rätselhaften Schwestern vom Fichtelberg haben ein Geheimnis.

In den heiligen Gefilden des Fichtelbergs, wo die Wolken wie Schleier den Gipfel bedecken und kein Stern am Himmel leuchtet, erzählt man sich von zwei geheimnisvollen Jungfrauen. Die Luft ist erfüllt von einem uralten Zauber, und unergründliche Nebel hüllt die schroffen Felsen in eine unheimliche Stille. Diese Schwestern, so heißt es, zeigen sich des Nachts im fahlen Schein des Neumondlichts. Die eine von ihnen zupft sanfte, melancholische Melodien auf ihrer Laute, Klänge, die von verlorenen Liedern und dem Rauschen des Windes erzählen. Unterdessen windet die andere, kunstvolle Kränze aus wilden Blumen, deren Blüten nur im Schatten der höchsten Gipfel wachsen. Niemand kennt ihre wahre Identität, ihre Herkunft bleibt im tiefen Dunkel verborgen. Trotz ihrer schlichten, abgenutzten Kleider und ihres müden Aussehens bergen die Schwestern eine tiefe, übersinnliche Schönheit. Sie versetzt die Herzen der Menschen in Erstaunen und lässt sie die Nacht über rastlos von dem Geheimnis träumen, das diese beiden Frauen in sich tragen.

Der mystische Jungferngrund ist ein Orakel für das Wetter.

Den Bewohnern des nahegelegenen Dorfes Wiesenthal war dieser geheimnisvolle Ort seit jeher ein zuverlässiger Wetterprophet. Die Alten lehrten die Jungen, die Zeichen am Berg zu deuten: Wenn der Himmel über dem Jungferngrund in hellem, fast milchigem Glanz erstrahlte, selbst wenn der Rest des Himmels von düsteren Wolken verhangen war, erkannten die Bauern, dass vortreffliches Wetter nahte. Es war ein Zeichen des Trostes, das ihnen eine reiche Ernte versprach oder eine sichere Reise durch die Berge. Doch wenn ein dichter, grauer Nebelschleier die Jungfern einhüllte und der Berg in unheilvoller Stille verschwand, flüsterte man: „Die Jungfern trocknen ihre Wäsche!“ Dies war die unfehlbare Vorhersage für kalte, regnerische Tage, die das Land wie von Zauberhand in eine feuchte Decke hüllten und die Felder in Schlamm verwandelten. Diese geheimnisvolle Verbindung zwischen dem Jungferngrund und den Elementen war ein fester Bestandteil des Lebens in Wiesenthal, ein stilles, aber allgegenwärtiges Echo der übernatürlichen Mächte, die den Berg bewohnten.

Ein alter Mönch begibt sich auf eine geheime Reise durch die Nacht.

Die alten Klosterglocken läuten in dieser späten Stunde, ihr tiefer, hohler Klang hallt über das Gebirgstal und durchdringt die dicken Steinmauern seiner Zelle. Der Mönch erwacht abrupt aus seinen Träumen, ein vertrautes Signal, das er sein ganzes Leben lang kannte. „Bruder, heute Nacht ist deine Stunde gekommen,“ flüstert er seinem treuen Hund zu, der am Fuße seines Strohlagers liegt. Der Hund, ein großer, zotteliger Schäferhund, hebt den Kopf und blickt ihn mit wissenden Augen an, er würde jedes der Worte verstehen. In seinem kargen Gewand, vom fahlen Mondlicht beschienen, nimmt der Mönch die flackernde Leuchte zur Hand, deren Licht kaum gegen die Dunkelheit ankommt. Ohne zu zögern, macht er sich auf den Weg, seine Schritte hallen leise über den gefrorenen Boden, derweil er sich den tobenden Höhen des Erzgebirges nähert.

Die einsame Wanderung durch den eisigen Schneesturm auf einsamen Pfaden.

Der Mönch durchwandert die verschlungenen, schneebedeckten Pfade, die sich wie Adern durch das Erzgebirge ziehen. Jeder seiner Schritte knirscht laut in der eisigen Stille, ein einsames Geräusch, das vom Wind verschluckt wird. Sturm und Schnee begleiten ihn auf seiner einsamen Reise, wirbeln um seinen Kopf, als wollten sie ihn von seinem Pfad abbringen. Er geht vorbei an den Gräbern der Erfrorenen, die in geheimen Reihen unter dem Schnee ruhen, ihre einfachen Holzkreuze ragen wie knochige Finger aus dem gefrorenen Boden. Namen, die niemand mehr kennt, sind längst mit dem Wind davongeweht. Der eisige Mond, ein blasses Auge in der stürmischen Nacht, erhellt ihre Schädel, die wie bleiche Perlen aus den schneebedeckten Gräbern lugen, und verleiht ihnen ein gespenstisches, unheilvolles Leuchten. Der Anblick mahnt ihn an die Gefahren, die ihn umgeben, und an die Wichtigkeit seiner Mission.

Das letzte Geheimnis des Jungferngrunds hüllt alles in eine unheilvolle Stille.

Endlich erreicht der Mönch den Jungferngrund, ein Ort, an dem die Luft dünn wird und eine unheimliche Stille herrscht. Sein treuer Hund, der die ganze Nacht über unermüdlich neben ihm gewandert war, fing an aufgeregt zu schnüffeln und zieht an der Leine, seine Rute zuckt, er witterte eine unsichtbare Aura. Die schweren, grauen Wolken wehen tief über dem Grund und schlucken jeden Lichtschein, sodass kein einziger Stern mehr am Himmel funkelt. Die Dunkelheit wurde zu einer greifbaren Kraft, die auf die Schultern des Mönchs drückte. Doch die Stille ist trügerisch. In der Ferne, tief unten im Tal, hallt das Stürzen der Tannen wider, ein unheilvolles Gebraus, das wie eine donnernde Welle über den einsamen Abgrund rollt. Die Natur selbst warnte den Mönch.

Die unermüdlichen Helfer in den Bergen erstrahlen in der dunklen Nacht.

In dieser düsteren Nacht, in der die Natur ihre unbarmherzigste Seite zeigt, sind sie von entscheidender Bedeutung, der Mönch und sein treuer Hund. Sie sind nicht nur ein Wanderer und sein Begleiter; sie sind die Rettung für jene, die von der Nacht überrascht werden. Sei es durch plötzliche Schneestürme oder heimtückische Lawinen, die sich ohne Vorwarnung von den Hängen lösen. Oftmals finden sie Menschen, die am Rande des Abgrunds um ihr Leben kämpfen, ihre Kräfte am Ende. In solchen Momenten kann ein kleiner, unscheinbarer Strauch oder eine zufällige Wurzel, die Halt am schroffen Felsen gibt, den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. So erfüllen der Mönch und sein Hund in völliger Hingabe ihre heilige Mission. Sie sind wie hilflose Sterne in dieser unheimlichen Nacht, die sich dennoch unermüdlich bemühen, Licht und Hoffnung in die Dunkelheit zu bringen.

Die Schwestern treten aus dem Nebel hervor und weben Magie in die Welt.

Während der Mönch und sein Hund ihren gefährlichen Weg durch die tobende Nacht bahnen, offenbart sich das Geheimnis des Jungferngrunds. Aus dem Nebel treten unvermittelt die beiden geheimnisvollen Schwestern hervor. Ihre Kleider sind von einem glänzenden, silbernen Gewebe, das wie gefrorenes Mondlicht im Schein der Laterne geheimnisvoll schimmert. Die erste Schwester mit der Laute spielt ein Lied, so ätherisch und rein, dass es die Schneeflocken in der Luft nicht nur erstarren lässt, sondern auch zum Glitzern bringt, wie winzige, tanzende Sterne. Die andere Schwester windet kunstvolle Kränze, deren Blumen in den unterschiedlichsten, übernatürlichen Farben leuchten. Sie webt in jeden Kranz die Träume und unausgesprochenen Wünsche derjenigen ein, die den Jungferngrund je betreten haben. Doch das ist nicht alles, durchdringend und tief fallen Ihre Blicke auf den Mönch, ergründen seine Seele, erkennen jedes kleinste, verborgene Geheimnis, das er je in sich getragen hat.

Das Versprechen der Schwestern fordert eine unschätzbar wertvolle Gabe.

Die Schwestern sprechen mit einer Stimme, die wie eine sanfte Harmonie klingt, wie das Rauschen uralter Wälder und das Wispern des kalten Windes zugleich. Ihr Klang ist tief und durchdringend, direkt in seine Seele dringend. „Mönch des Erzgebirges“, ertönt ihr Chorgesang, „wir sind die Hüterinnen dieses Ortes, die Verwalterinnen der Hoffnung und der Verzweiflung, die in diesen Bergen gefangen sind. Wir kennen die Sehnsüchte und Ängste aller Menschen, die zu uns kommen, denn wir spüren die unruhigen Echos ihrer Herzen in der Luft. Doch wir verlangen eine Gabe im Tausch für unsere Hilfe, eine, die von unschätzbarem Wert ist.“ Der Mönch, von einer tiefen Ehrfurcht ergriffen, merkt, wie sich sein Herz zusammenzieht. Er fragt mit belegter Stimme: „Welche Gabe verlangt ihr, oh geheimnisvolle Schwestern?“ Die Antwort kommt im Einklang, klar und unwiderruflich: „Wir verlangen von dir, dass du uns von deinen eigenen Träumen und Hoffnungen erzählst. Du musst uns deine tiefsten Sehnsüchte offenbaren, die du so lange in deinem Herzen verborgen hast. Nur wenn wir die wahre Essenz deiner Seele kennen, werden wir sehen, ob wir die Gabe deiner Hingabe annehmen und deine Mission unterstützen können.“

Der Mönch opfert seine Träume für das Wohl der Menschen in Not.

Der Mönch zögert einen Augenblick. Ein kalter Schauer der Erkenntnis durchfährt ihn, denn er erkennt, dass das, was er preisgibt, nicht nur eine Erzählung ist, sondern ein Teil seiner selbst, der für immer verloren sein könnte. Es ist der letzte Rest seines alten Lebens, den er noch hütet. Doch die Not der Menschen, die er retten muss, wiegt schwerer als seine eigenen Träume. Unaufhaltsam. Er holt tief Luft, und die Worte fließen aus ihm heraus. Er beginnt zu erzählen, von den Nächten, in denen er von der Freiheit geträumt hat, von einem Leben außerhalb des Klosters und von der Liebe, die er nie erlebte. Die beiden Schwestern hören mit einer Sanftheit zu, die die Dunkelheit zu durchdringen scheint. Ihre Augen, die zuvor so forschend waren, füllen sich mit einem uralten Verständnis. Als der Mönch endet, lächeln sie mit einer Güte, die sein Herz erwärmt. „Deine Opferbereitschaft berührt uns zutiefst,“ sagen sie. „Wir werden deine Träume nun in die Fäden unseres Kranzes weben und deine Sehnsüchte in unsere Melodien einfließen lassen.“

Die Verwandlung von Träumen und Hoffnung in mächtige Magie.

Augenblicklich beginnen die Schwestern mit ihrer Arbeit, und der ganze Grund wird von einem sanften, schimmernden Licht erfüllt. Die Melodie der Laute schwillt an, ihre Töne weben sich zu einem Teppich aus warmem Klang, der nicht nur die Luft, sondern genauso die Schneeflocken zum Vibrieren bringt. Gleichzeitig leuchten die Blumen im Kranz in den prächtigsten Farben, von tiefem Purpur bis zu leuchtendem Gold, und strahlen eine stille, uralte Kraft aus. Der Mönch erlebt eine unvergleichliche Leichtigkeit die seinen Körper durchströmt. Er erkennt, wie die Magie des Jungferngrunds, seine Träume und Hoffnungen sanft in eine spürbare, warme Energie umwandelt, und die Dunkelheit der Nacht erhellt. Nachdem die Schwestern ihre Arbeit vollendet haben, reichen sie dem Mönch den strahlenden Kranz und die Laute. „Nimm diese Gabe, Mönch des Erzgebirges,“ flüstern sie mit vereinter Stimme. „Nun geh, und erfülle deine Mission. Möge die Magie des Jungferngrunds, genährt von deiner Opferbereitschaft, dir beistehen und den Menschen, die in Not sind, ein Zeichen der Hoffnung sein.“ Der Mönch bedankt sich, sein Herz erfüllt von Dankbarkeit und einem neuen, unverhofften Gefühl der Bestimmung. Mit seinem treuen Hund macht er sich auf den Weg, um die Verlorenen zu retten. Er erkennt, dass er nicht mehr derselbe ist. Er wird nie vergessen, was er erlebte. Die Magie, die aus persönlichem Verlust geboren, an diesem geheimnisvollen Ort, wo die Schwestern der Nacht die Träume der Menschen in Hoffnung verweben und die Dunkelheit mit einem wundersamen Leuchten erfüllten.

Das Echo einer alten Legende klingt in den modernen Wanderpfaden nach.

Jahrhunderte vergingen, und die Geschichte des Mönchs und der Schwestern wurde zu einer Legende. Liedern der Minnesänger und den Schilderungen alter Großmütter erzählten sie weiter. Heute ist der Jungferngrund ein beliebtes Ziel für Wanderer und Naturfreunde aus der ganzen Welt. Die Wissenden kommen nicht nur, um die Natur zu genießen, sondern, um einen Hauch dieser alten Magie zu empfinden. Besonders an den Wochenenden füllen viele Ausflugsziele aus der nahegelegenen Stadt Dresden die Pfade. Anstelle der Gräber der Erfrorenen findet man Rastplätze mit Holzbänken und ausgebaute Schutzhütten. Der Weg ist ausgeschildert, und die Stille der Einsamkeit wurde durch das Lachen von Familien und das Rauschen von Drohnen ersetzt. Doch in den todstillen, nebligen Nächten, wenn alle Lichter weit entfernt sind und der Mond sich hinter dem Berg versteckt, schwören einige wenige Wanderer, noch immer das sanfte, melancholische Zupfen einer Laute zu hören. Es ist ein Klang, der nicht von dieser Welt ist und tief in der Seele widerhallt. Und wenn man genau hinsieht, ist einen leisen, silbernen Schimmer zu erkennen, der durch den dichten Nebel weht. Die sanfte Erinnerung an zwei geheimnisvolle Gestalten. Die Magie des Jungferngrunds hat sich gewandelt, vom rettenden Wunder zum leisen Echo der Vergangenheit, aber sie ist nie wahrhaft verschwunden.

Mit den besten Wünschen aus einer Welt, in der sich Märchen und Wirklichkeit berühren,
Ihr stiller Wanderer und Hüter der magischen Pfade.

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*Der geneigte Leser möge verzeihen, dass wir die unzähligen, unbetretenen Pfade und die magischen Orte, die dem Kinderlachen und dem Rauschen der Drohnen weichen mussten, nicht detailliert beschrieben haben. Denn in den Augen jener, die das Geheimnis noch wahren, ist der wahre Jungferngrund ohnehin nur in der Erinnerung zu finden.

Quellenangaben:
Inspiriert von der unerschütterlichen Loyalität eines zotteligen Hundes.
Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen 1874,
Der Jungferngrund bei Wiesenthal.
Die Sage um den Schönjungferngrund
Sagen aus dem Fichtelgebirge
Broschüre zum Fichtelgebirge

Meyers Konversations-Lexikon 3. Auflage 1874 - 1884
Wikipedia – Die freie Enzyklopädie

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